Über diesen Podcast

Es war einmal …

… ein Vater, der brachte regelmäßig seinen Sohn zum Kindergarten. Der Sohn war erst vier Jahre alt und die Welt für ihn noch nigelnagelneu.

An jeder Ecke gab es etwas zu entdecken: Da drüben auf der anderen Straßenseite ein großer gelber Bagger, dort keine drei Schritt von ihm entfernt ein interessanter Stock, nein ganz eindeutig das Lichtschwert eines Jedis, hier ein Hundehaufen in der Form einer Taube! Und waren sie nicht eben an drei Kieselsteinen vorbeigekommen?

Das musste natürlich alles genau untersucht werden, da konnte man doch nicht einfach weitergehen! Der Vater war aber leider ganz anderer Auffassung. Es betrübte ihn sehr, dass sein Sohn alle drei Schritte stehen blieb und er deshalb jedes Mal zu spät zur Arbeit kam.

Abends wenn der Vater nach vollbrachtem Tagewerk im Bett lag, grübelte er, was er dagegen tun könnte, und schmiedete so manchen Plan.

Frühe Fehlversuche

An einem Morgen versuchte er es mit Drohen und Schimpfen. Es half allerdings nichts: Statt wie gewünscht mit flottem Schritt dem Vater zu folgen, warf sich der Sohn lieber auf den Boden und war lange nicht bereit wieder aufzustehen.

An einem anderen Morgen versprach der Vater dem Sohn einen Sack voll Süßigkeiten, wenn dieser nur zügig mitkommen wolle. Der Sohn war begeistert und versprach dem Vater nicht zu trödeln. Doch leider hatte er diesen guten Vorsatz schon wieder vergessen, als er entdeckte, dass bei der Telefonzelle am Wegesrand der Hörer herunterhing. Den konnte man prima in ein Spiel einbauen.

Auch die Idee des Vaters gemeinsam auf dem Weg zu singen brachte keinen Erfolg, denn leider fand der Sohn alle vorgeschlagenen Lieder (Hänschen klein, Das Wandern ist des Müllers Lust, Pferdchen lauf Galopp usw.) total uncool. Der Vater kannte zwar auch Lieder, die dem Sohn besser gefielen, konnte aber leider ihren Text nicht auswendig.

Der Plan den Weg zum Kindergarten in eine Engelchen-Engelchen-Flug-Schneise zu verwandeln scheiterte schon im Entwurfsstadium. Wer etwas mit dieser akrobatischen Luftnummer vertraut ist, wird schnell zustimmen, dass eine Durchführung ohne Unterstützung durch einen Dritten, eine immense Herausforderung darstellt, sowohl an die Fähigkeiten der Ausführenden als auch an die Naturgesetze.

Geschichten als unsichtbare Leine

In seiner Not erinnerte sich der Vater schließlich daran, dass sein Sohn ungeheuer gerne Geschichten hörte. Außerdem hatte der Junge, wie es der Zufall wollte, einen großen Faible für die Feuerwehr entwickelt. Was dazu führte, dass der Vater gigantische Stapel einschlägiger Literatur ins Haus schleppte. Die Bücher hatten so sprechende Titel wie „Achtung Feuerwehr“, „Feuerwehr im Einsatz“, „ein Tag bei der Feuerwehr“ und dergleichen mehr. Genau wie die Titel war auch die Handlung der Bücher sich zum Verwechseln ähnlich  und langweilte den Vater zutiefst.

Warum, dachte sich der Vater, dieses Thema nicht mit einem ordentlichem Schlag Abenteuer anreichern , dazu eine gute Portion Fantasy und geben und dann noch mit einer Prise Märchen würzen, damit die Mischung  auch vor der Mama Bestand hielte. Das Ganze nur noch ordentlich schütteln und dem Sohn täglich einen Löffel servieren.

Gesagt, getan. Und es funktionierte tatsächlich: Morgens wenn der Vater auf dem Weg zum Kindergarten erzählte, hing der Sohn an seinen Lippen. Er lief dem Vater in kleinen Trippelschritten hinterher, um bloß kein Wort zu verpassen. So ging es von nun an jeden Tag: Der Vater führte den Sohn wie an einer unsichtbaren Leine aus Worten zügig zum Kindergarten und schaffte es rechtzeitig zu seiner Arbeit.

Der Fluch des Erfolgs

Inzwischen hat der Sohn einen kleinen Bruder bekommen, der von Mama in den Kindergarten gebracht wird. Er, der ältere Bruder, ist inzwischen ein Schulkind und legt den Weg dorthin mit dem Fahrrad zurück. Der Vater begleitet ihn zwar immer noch. Da man auf dem Fahrrad aber meist hintereinander fährt und der Fahrtwind tüchtig bläst, ist ein Gespräch so gut wie ausgeschlossen. Wer daran Zweifel hegt, möge die beschrieben Situation gerne selbst einmal nachstellen.

Allerdings wünscht sich der ältere Sohn noch immer, dass sein Vater ihm eine Geschichte erzählt. Sein kleiner Bruder unterstützt ihn dabei. Für ihn ist es nämlich total ungerecht, dass sein Bruder so viele vom Vater erdachte Geschichten kennt und er nicht.

Leider sind die Situationen, in denen das Verlangen nach Geschichten am stärksten wird, für das Erzählen denkbar ungeeignet. Typischer Weise ist das abends der Fall, wenn die Kinder sich waschen sollen. Die Zeitspanne von Waschen bis ins Bett gehen ist für eine ordentliche Geschichte natürlich viel zu kurz. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die jungen Herren über das gebannte Zuhören glatt das Einseifen und Abschrubben vergessen könnten.

Auch auf Wanderungen wird gerne eine Geschichte eingefordert. Wenn man stundenlang am Busen der Natur unterwegs ist, wäre freilich genug Zeit. Aber leider würde dann der Vater vor lauter Erzählen nichts mehr von der bezaubernden Landschaft  und den anderen Wanderern mitbekommen, mit denen er bei solchen Anlässen gerne ein Schwätzchen hält. Das alles sind Gründe, die man leicht einsehen kann, zumindest wenn man älter als dreißig ist.

Der richtige Rahmen

Was also tun? Wenn der Vater nun also schon die alten Geschichten wieder aus den verstaubten Ecken seines Gedächtnisses hervorkramen sollte, warum sich nicht eigens für das Erzählen Zeit nehmen? So beschloss der Vater, dass jede Geschichte ihren eigenen Termin im Familienkalender bekommen würde. Er würde für deren Verkündung eine eigene Ecke im Kinderzimmer einrichten, in die sich die Kinder lümmeln könnten, während sie seiner Worte lauschten. Damit das ganze Ereignis einen noch offizielleren und wichtigeren Charakter bekäme, würde er die Geschichten aufnehmen und ins Internet  stellen.

Ja und genau das hat er dann gemacht und das Ergebnis findet ihr hier auf dieser Website. Bleibt noch zu erwähnen, dass den beiden Söhnen die Idee mit der Website und dem Podcast auch sehr gut gefällt. Wann immer sie sich nun das Handy des Vaters ausleihen und die Mama schon kritisch guckt, ob die beiden schon wieder am Daddeln sind, sagen sie einfach: „Was denn? Wir hören doch nur dem Papa beim Geschichten erzählen zu!“